Anleitung zum Unschuldigsein. Das Übungsbuch für ein schlechtes Gewissen. - Florian Illies (2002)
ISBN 3596156963
Verlag Fischer (Tb.), Frankfurt
Erscheinungsdatum November 2002
Format Broschiert
Handlung
Im Sportgeschäft gewesen. Turnschuhe gekauft. Dreimal in nur fünf Minuten ein schlechtes Gewissen gehabt:
(1) Schuhe von Nike erstanden (Kinderarbeit!),
(2) Tüte geben lassen (Müll!),
(3) im Auto heimgefahren (ÖPNV? Fahrrad!).

So sind wir von der Generation Golf: Aufrichtig hin- und hergerissen zwischen moralischen Ansprüchen und praktischen Notwendigkeiten, entscheiden wir uns beinahe immer für die pragmatische Lösung -- die gar nicht unbedingt immer die bequemere sein muss, wie Florian Illies in seinem Übungsbuch für ein schlechtes Gewissen auf zum Teil perfide Art herausarbeitet.

Denn so ein schlechtes Gewissen hält nur auf -- und schädigt darüber hinaus die Volkswirtschaft am Standort Deutschland, wo allein, wenn man es hochrechnet (und von drei Minuten pro Tag und Müllverursacher ausgeht) "täglich insgesamt vier Jahre lang" über die Mülltrennung nachgedacht wird. Gewissenhaft? Nie wieder! Hau weg den Scheiß!

23 Übungssituationen, die von "Heute trenne ich den Müll nicht" über "Heute lasse ich einen Tramper im Regen stehen" bis zu "Heute rede ich mit Bernd" reichen, müssen wir mit Instruktor Illies bestehen. Das Schema ist immer gleich: Zunächst erfolgt auf wenigen Seiten die Anamnese des Problems ("Das Bedürfnis der Taxinutzer, mit den Taxifahrern ein Gespräch darüber zu führen, warum es dem einen so gut geht, dass er sich ein Taxi leisten kann, und dem anderen so schlecht, dass er Taxi fahren muss, ist nicht sehr groß."), die dann jedesmal in einen Übungsvorschlag mündet ("Heute gehen wir zu einem selten frequentierten Taxistand ... beißen so in unseren mitgebrachten Hamburger, dass besonders viele ... Mayonnaisetropfen auf den Sitz gelangen ... fahren fünfhundert Meter und brüllen dann bei 3 Mark 90, der Fahrer möge uns hier endlich rauslassen. Dann geben wir ihm 3 Mark 90 und sagen "Stimmt so"").

Natürlich lässt sich zwischen bloßer Peinlichkeit (wie spricht man "amuse gueule" aus?), verletzten Konventionen (wann bringt man Geschenke mit?) und begründet schlechtem Gewissen (weil man wieder mal Käfigeier gekauft hat) nicht immer sauber unterscheiden. Manche von Illies Übungen sind auch nur mäßig lustig (erst bremsen -- und dann schnell wegfahren, wenn der Tramper sich dem Auto nähert -- harhar...) oder sogar ausgesprochen bedenklich ("Unser klassenfeindliches Klassensystem hat leider niemandem mehr beigebracht, soziale und finanzielle Unterschiede als ein Naturgesetz zu akzeptieren"), aber die Frage nach der Moral des Ganzen, die Illies durchaus nicht nur implizit stellt, ist -- neokonservativ hin, Schnösel her -- zweitrangig. Denn was jede Generation (X, Y oder Golf) schätzt: Der Mann weiß zu unterhalten. --Axel Henrici

Persönliche Details
Besitzstand In Sammlung
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Weitere Einzelheiten
Empfohlener Preis 1,90 €
Seitenanzahl 256